Die deutsche Herren Indoor Lacrosse Nationalmannschaft hat im Juli 2017 an ihrem erst zweiten großen internationalen Turnier, den European Boxlacrosse Championships (EBLC) in Turku, teilgenommen. Dabei konnten die Spieler einen beachtlichen 4. Platz erreichen und Mannschaften wie England und Irland, die bereits seit 2002 an internationalen Indoor Lacrosse Turnieren teilnehmen, hinter sich lassen. Finnland, Tschechien und Deutschland, drei Mannschaften der Top Vier bei den EBLC, legen dabei großen Wert auf „Eigengewächse“, also Spieler, die in den jeweiligen Ländern Lacrosse spielen und erlernt haben.
Tatsächlich ist das Aufbessern von Nationalmannschaftskadern mit erfahrenen, meist nordamerikanischen Spielern so alt wie die internationalen Lacrossewettbewerbe selbst. Die kontroverse Diskussion über Recht und Unrecht bzw. Für- oder Gegensprechen ist dabei ein stetiger Bestandteil. Die Regeln der FIL und ELF sind eindeutig in dieser Angelegenheit. Wer die Nationalität und entsprechenden Pass besitzt hat das Recht für diese Nation zu spielen. Die Haltung der europäischen Lacrossegemeinschaft bei den EBLC ist in dieser Frage ebenfalls relativ einheitlich: Erfahrene ausländische Spieler sind unverzichtbar für den Aufbau einer wettbewerbsfähigen Mannschaft. Auch das deutsche Team hat auf diese Unterstützung in der Vergangenheit zurückgegriffen. Nationalmannschaftsprogramme sollten sich jedoch langfristige Ziele zur Substitution dieser Spieler mit heimischem Talent setzten.
Ist es nun Wettbewerbsverzerrung, wenn eine Nation diese Ziele nicht teilt? Der Trainer und Präsident des Cz Lacrosse Verbandes sagte treffend nach der 8:9 Niederlage gegen die von nordamerikanischen Spielern dominierte Mannschaft aus Israel: „Um die beste Mannschaft zu werden, musst du die besten Mannschaften schlagen!“. Um das Level unserer Spitzensportler in den Nationalmannschaften zu steigern müssen sie im Wettkampf gegen die besten Nationen Europas und weltweit bestehen. Was bedeutet das aber für die Entwicklung der Indoor Nationalmannschaften insbesondere in Deutschland?
In vielen Gesprächen mit dem Trainerstab, den Spielern (egal ob sie den Sprung in den Kader für EBLC oder WILC geschafft haben oder nicht) und Funktionären im Verband ist klar, die Herren Indoor Nationalmannschaft soll deutscher werden. Ähnliche Meinungen lassen sich im Übrigen auch in den Feldnationalmannschaften der Herren und Damen finden. Gemeint ist nicht die pure Nationalität als Auswahlkriterium. Vielmehr geht es um die Definition der Aufgabe und Wirkung der Nationalmannschaften in der deutschen Lacrosse Gemeinschaft. Eine Frage, die sich der Stab der Indoor Nationalmannschaft an oberste Stelle für die Gestaltung des Auswahlprozesses zu den EBLC gesetzt hatte. Erste Ziele wurden in Zusammenarbeit mit den Indoor Ligen bereits in einem Zukunftskonzept definiert. Der langfristig erfolgreiche Spitzensport hängt jedoch von mehr ab:
In dem kurzen Gespräch mit dem Präsidenten der Czech Lacrosse Union wurde mir deutlich wie ein langfristig angelegtes, zukunftsorientiertes Nationalmannschaftsprogramm aufgebaut werden kann. Seit 3 Jahren spielen die gleichen 30 Spieler der Cz U-19 Boxlacrosse Nationalmannschaft zusammen. Da es keine Internationalen U-19 Turniere im Indoor Lacrosse gibt nehmen sie an allen Veranstaltungen teil die sich so ergeben. Verständlicherweise selten gegen Spieler ihrer Altersklasse. Das Resultat: Eine bereits ziemlich gute Mannschaft mit Durchschnittsalter 17. Die Zukunft: in 5 Jahren eine Nationalmannschaft die mit den großen im Sport wie Israel mehr als nur mithalten kann und wird.
Nun müsste man in Deutschland vermutlich 1-2 Schulklassen entführen, um sich so eine Mannschaft kurzfristig aufzubauen. Doch auch hier wächst ein großartig organisiertes U-19 Feldnatio Programm heran, das sich auf internationaler Bühne nicht verstecken muss. Das Ganze braucht aber Zeit, gute Organisation, einen gewissen Weitblick und eine Vielzahl an ehrenamtlichen Helfern, ein Faktor der oft unterschätzt wird. Dieses Wachstum, ob im U-19 Bereich oder im Herren und Damen Bereich entstammt schlicht weg dem Engagement duzender Vereinsvorstände, Trainer und sonstigen Funktionären in Ligen, Vereinen und im Verband, die den deutschen Lacrossesport mit einer Vielzahl an Mannschaften und Veranstaltungen bereichern.
Welche Aufgabe kann/soll eine Nationalmannschaft, die erst seit 3 Jahren existiert, innerhalb eines Verbandes mit stagnierenden (oder zumindest unter den Erwartungen liegenden) Mitgliederwachstum also einnehmen? Langfristig wird die Indoor Sektion maßgeblichen Anteil am Wachstum des Lacrossesports in Deutschland haben. Spieler werden Lacrosse durch Indoor Lacrosse lernen und so die deutsche Lacrosselandschaft bereichern. Feldlacrosse Spieler die im Winter Indoor Lacrosse spielen, werden merken, wie viel besser Spielübersicht und Stickskills geworden sind. Die primäre Aufgabe der Nationalmannschaft in diesem Gebilde ist die Förderung der besten Spieler. Allerdings wollen wir die breite Masse an dieser Förderung teilhaben lassen. Schließlich sind es auch die Beitragszahlungen aller Lacrosse Spieler, die Teile der Nationalmannschaft finanzieren.
Wie am Resultat der EBLC erkennbar, besitzen wir bereits gute Strukturen zur Förderung des Spitzensports mit Trainern, Spielstätten, Ausrüstung etc. Aber wie können wir am einfachsten den besten Spielern des Landes unsere Spielphilosophie und -konzepte vermitteln, ohne dabei die breite Basis zu vernachlässigen? Unsere Antwort: Der Auswahlprozess und die Trainingslagerstruktur der Indoor Lacrosse Nationalmannschaft werden nach den EBLC einen Strukturwandel erleben - weg von dem vielseits bekannten Try-Out Prozess mit unregelmäßig stattfinden Camps in denen man sich für die Nationalmannschaft bewerben kann, hin zu Indoor Lacrosse für die breite Masse jedoch ohne den Spitzensport zu vernachlässigen. Konkret bedeutet das:
- Jährlich drei offene Indoor Lacrosse Trainingslager mit der Nationalmannschaft zugänglich für Spieler jeden Levels mit Schwerpunkt Spieler- und Taktikentwicklung. Dabei spielt es keine Rolle ob jemand für die Nationalmannschaft spielen möchte oder nicht. Für diese Trainingslager werden feste Termine im Lacrosse Kalender langfristig angekündigt um Kollision mit Ligaspieltagen (Feld und Indoor) zu vermeiden. Die Kosten sollen so gering wie möglich gehalten werden.
- Jährlich ein Lehrgang zur Trainer- und Taktikausbildung im Bereich Indoor Lacrosse Herren durch die Nationalmannschaftstrainer
- Jährlich zwei Lehrgänge speziell ausgelegt für Torhüter mit qualifizierten Trainern und ausgelegt auf das Level der Torhüter in Europa
- Die finanzielle Förderung des DLaxV für die Indoor Lacrosse Nationalmannschaft soll zu mind. 30 % für die Durchführung dieser Trainingslager genutzt werden
- Soweit möglich werden diese Trainingslager von Trainern, aber vor allem erfahrenen Spielern der Nationalmannschaft geleitet
- Der Fokus dieser Veranstaltungen liegt darauf die Qualität und das Indoor Lacrosse Wissen in den Vereinen zu steigern und Konzepte aus der Nationalmannschaft an die Vereine weiterzugeben. Wenn jeder Spieler bereits die Konzepte der Indoor Nationalmannschaft in seinem Verein spielt und trainiert müssen wir diesen Teil nicht mehr bei den weiterführenden Trainingslagern übernehmen. Natürlich werden Spieler bei diesen Veranstaltungen auch für die Nationalmannschaft gesichtet, wir erwarten sogar eine Teilnahme potentieller Nationalmannschaftsspieler an den Trainingslagern, jedoch liegt der Fokus auf der Ausbildung, Verbesserung und Spaß am Indoor Lacrosse für jeden der darauf Lust hat.
Was bedeutet das für den Auswahlprozess und den Kader der Indoor Nationalmannschaft? Diese wird in Zukunft wie folgt strukturiert:
- Berufung qualifizierter Spieler in einen bis zu 45 Mann starken Nationalmannschaftskader (jährlich)
- Nominierung von Mannschaften aus dem Nationalmannschaftskader für 1-2 internationale Turniere pro Jahr zusätzlich zu den WILC/EBLC
- Zusätzliche Trainingslager (1-2 pro Jahr) mit dem gesamten Trainingskader unter Anleitung der Nationalmannschaftstrainer
Alle oben benannten Veranstaltungen mit Ausnahme des European Boxlacrosse Invitationals im April werden außerhalb der Feldlacrosse Saison stattfinden, um Überschneidung mit den Feldlacrosseligen zu vermeiden. Konkret heißt das Zeitraum Juli -August und Dezember – Februar. Termime werden ebenfalls langfristig (mind 1 Jahr im Vorfeld) angekündigt.
Wir hoffen mit dieser Strukturierung langfristiges Wachstum im Indoor Lacrosse Bereich zu ermöglichen und nicht nur das Level in der Nationalmannschaft, sondern vor allem in den Vereinen und Ligen zu verbessern. Für die Indoor Lacrosse Saison 2017/18 haben sich 23 Vereine in 8 Spielgemeinschaften angemeldet. Das Interesse ist also vorhanden und wir freuen uns mit der Indoor Nationalmannschaft unseren Teil beizutragen. Besonderer Dank gilt hierbei Spieler der Nationalmannschaft und Ligaleiter im Westen Marius Wolter sowie dem Schiedsrichterobmann Indoor Lacrosse Jan Martin.
Im September 2019 finden in Canada die WILC statt. Deutschland wird mit einer Mannschaft aus heimischen Talenten antreten, auch wenn die Verführung durch Angebote kanadischer Spieler sehr verlockend ist. Wir setzen damit um, was unsere Nachbarn aus Österreich, Schweiz und Tschechien bereits erfolgreich praktizieren.
Zu guter Letzt: Die Verträge mit dem Trainerstab um Head Coach Jesse Cracknell, Assistant Coach Henning Ratjen, Scott Stapleford und Adam Marshall wurde bis zu den WILC 2019 verlängert. Simon Krause wird über den gleichen Zeitraum weiter die Aufgaben des General Managers fortführen. Da ich jedoch zusätzlich die Aufgaben des Indoor Sportwartes ausübe suchen wir nach Verstärkung im Managementbereich der Indoor Natio. Gerne stehe ich mit Rat und etwas Tat meinem möglichen Unterstützer und Nachfolger zur Seite. Wenn also jemand Lust hat in einem hoch motivierten Team aus Spielern, Trainern und Unterstützern tätig zu werden schickt mir eine Nachricht an s.krause@staging.dlaxv.de. Die Erlebnisse in Zusammenarbeit mit dieser Mannschaft wird jede eurer bisherigen sportlichen Erfahrungen bei weitem übertreffen.
Für alle die einen Einblick in die Arbeit der Herren Indoor Lacrosse Nationalmannschaft erhaschen wollen empfehle ich die Dokumentation „The Chip On Your Shoulder“ über das deutsche Team bei den WILC 2015.